Familienfreundlichkeit als Standortfaktor auf dem Land

Wie es auf dem Land gelingen kann, Familien vor Ort zu halten und ihnen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern, war Thema des Seminars der Bayerischen Landfrauenvereinigung des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB) von 2. bis 3. Juli 2013 im Bildungshaus des Klosters Armstorf im Landkreis Erding. Eine Exkursion führte die 20 Teilnehmerinnen in die Gemeinde Taufkirchen an der Vils und in die Stadt Dorfen.

„Für ländliche Gemeinden sind familienfreundliche Angebote inzwischen ein wichtiger Standortfaktor“, betonte die Referentin, Annemarie Haselberger, Bürgermeisterin der Gemeinde Reichertsheim und Raumsau im Landkreis Mühldorf. Die Großfamilie, in der sich verschiedene Generationen unterstützen können, wird auf dem Land immer seltener. Und so benötigt eine steigende Anzahl von SeniorInnen Unterstützung im Alltag und mehr erwerbstätige Mütter eine außerfamiliäre Kinderbetreuung. Annemarie Haslberger erklärte, zur Familienfreundlichkeit ihrer Gemeinde trügen insbesondere das erschwingliche Bauland, soziale Netzwerke und ausgeweitete Kinderbetreuung bei sowie Angebote, welche die Mobilität der Menschen verbesserten.  Sie warb bei den Frauen für das Konzept der Kombiklassen, eines klassenübergreifenden Unterrichts, um bei rückläufiger Schülerzahl Grundschulen vor Ort zu erhalten. An die KDFB-Landfrauen  appellierte sie, in ihren Gemeinden frühzeitiges seniorengerechtes Umbauen von Wohnraum zum Thema zu machen.

Mit dem Zertifikat „audit berufundfamilie“ der Hertie-Stiftung können Arbeitgeber aller Branchen und Betriebsgrößen mit ihrer familien- und lebensphasenbewussten Personalpolitik werben. Monika Sagmeister, Referentin für Familie und Gender an der Hochschule Landshut, zeigte wie ihr Arbeitgeber die Rahmenbedingungen für die Mitarbeiter und Studenten durch das verpflichtende Zertifikat schneller verbessern konnte.

Das vorbildliche Familienbewusstsein in der Gemeinde Taufkirchen an der Vils erkannten die Seminarteilnehmerinnen auf ihrer Exkursion in die Gemeinde, die für ihre aktive Bürgerbeteiligung bekannt ist und eines der ersten Mehrgenerationenhäuser in Bayern errichtet hat. In diesem werden Kinder jeden Alters betreut sowie Eltern und Senioren beraten. Drei Mensen und ein offenes Café sorgen für die Verpflegung. Kommune und Arbeitgeber im Ort unterstützen sich gegenseitig. Das kbo-Isar-Amper-Klinikum finanziert Kindergartenplätze und die Gemeindekindergärten passen ihre Öffnungszeiten den Schichtzeiten des Pflegepersonals an. Vom Konzept der Ganztagesklasse, das Vereine und die Musikschule Erding miteinschließt, sollen vor allem Kinder berufstätiger Eltern profitieren. In der Stadt Dorfen besuchten die Seminarteilnehmerinnen das Zentrum für Integration und Familie, dessen Hauptziel es ist, Migranten deutschen Sprachunterricht mit zertifizierten Abschlüssen anzubieten. Die Exkursionsteilnehmerinnen  begriffen das Zentrum für Integration und Familie als zukunftsweisend für Kleinstädte im ländlichen Raum, um den gesetzlichen Anforderungen für die Einbürgerung von Migranten zu genügen und den Menschen ortsnah zu helfen.

Am zweiten Tag der Veranstaltung eröffnete Rainer Strauch, Leiter der Rechtsabteilung im Sozialverband VdK Bayern e.V., das Zusatzthema „Mütter – im Alter in der Armutsfalle“.  Er klärte über die verschiedenen Rentenarten und die negativen Auswirkungen der Rente ab 67 für Frauen, die aufgrund familiärer Belastungen nicht oder nur teilweise erwerbstätig sein können, auf.  Der VdK fordert ebenso wie die Landfrauenvereinigung und ihr Dachverband, der KDFB, die volle Anrechnung von drei Jahren Kindererziehungszeiten bei der Rente auch für Frauen, welche vor 1992 ein Kind geboren haben.

Die Teilnehmerinnen des Seminars, Verantwortliche der Bayerischen Landfrauenvereinigung aus fast allen Diözesen Bayerns  wurden sich bewusst, wie unabdingbar ehrenamtliches Engagement besonders für finanziell schwächer aufgestellte ländliche Kommunen ist. Die Landesvorsitzende, Christa Reiterer, ermunterte die Frauen, sich aktiv in ihren Gemeinden einzubringen und die Bestellung von Familienbeauftragten durch den Gemeinderat zu fordern. Sie wies auf die Möglichkeit hin, Versammlungen eigens für Frauen einzuberufen, um deren Bedürfnisse besser wahrzunehmen und ihr soziales und politisches Engagement für ihre Gemeinden zu wecken und zu unterstützen. Eine gemeinsame Arbeitshilfe des KDFB und der Bayerischen Landfrauenvereinigung für die Planung einer Bürgerinnenversammlung steht zum Download unter AM2012_Bürgerinnenversammlung bereit.

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